Der Bundesgerichtshof (BGH) befasst sich mit einer Grundsatzfrage zum Design der berühmten Birkenstock-Sandalen. Im Zentrum steht die rechtliche Einstufung als Kunstobjekt und damit der Anspruch auf urheberrechtlichen Schutz.
Ein Rechtskonflikt mit wirtschaftlicher Tragweite
Der traditionsreiche Schuhhersteller Birkenstock, inzwischen Teil des französischen Luxuskonzerns LVMH, sieht seine einzigartigen Sandalen-Designs durch Nachahmungen bedroht. Unternehmen wie Tchibo, die dänische Modemarke Bestseller sowie die Wortmann-Tochter shoe.com verkaufen Modelle, die laut Birkenstock eine zu große optische Ähnlichkeit aufweisen.
Um sich gegen diese Konkurrenz zu wehren, hat Birkenstock Klage eingereicht und fordert, dass die strittigen Modelle vom Markt genommen und vernichtet werden. Der Ausgang des Verfahrens könnte grundsätzlich klären, inwiefern Designklassiker vor Nachahmungen geschützt sind.
Die juristische Kernfrage: Funktional oder künstlerisch?
Im Mittelpunkt steht die Klärung, ob die Birkenstock-Sandalen als angewandte Kunst einzuordnen sind. Damit ein Design diesen Status erhält, muss es eine besondere kreative Schöpfung darstellen und die Handschrift seines Entwicklers, Karl Birkenstock, widerspiegeln.
Nach deutschem Urheberrecht sind Kunstwerke bis zu 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschützt. Eingetragene Designs hingegen können lediglich 25 Jahre nach Anmeldung unter Schutz stehen. Da Karl Birkenstock noch lebt, bleibt unklar, ob sein Design in diese Schutzkategorie fällt.
Diese Sandalen-Modelle stehen im Fokus
Gegenstand der Auseinandersetzung sind vier bekannte Modelle:
- Madrid (1963): Eine Sandale mit einer einzelnen Schnalle.
- Arizona (1973): Ein Zweiriemer mit zwei Schnallen.
- Gizeh (1983): Ein Modell mit Zehentrenner.
- Boston: Ein geschlossener Clog.
Diese Modelle sind untrennbar mit der Markenidentität von Birkenstock verbunden. Doch genügt ihr Design für eine Einstufung als Kunst?
Der bisherige Prozessverlauf
Im Mai 2023 entschied das Landgericht Köln zugunsten von Birkenstock und untersagte den beklagten Unternehmen den weiteren Vertrieb der umstrittenen Sandalen. Diese legten Berufung beim Oberlandesgericht ein – und erhielten Recht.
Die Richter befanden, dass die Sandalen zwar als Designklassiker gelten, aber keinen künstlerischen Status haben. „Der kreative Spielraum ist durch die Funktion des Produkts eingeschränkt“, hieß es in der Begründung. Da es sich um orthopädische Sandalen handle, die auf ergonomisches Gehen ausgerichtet sind, stehe der praktische Nutzen im Vordergrund. „Die Auswahl zwischen unterschiedlichen Gestaltungsformen allein macht ein Produkt nicht zur angewandten Kunst“, erklärten die Richter weiter.
Entscheidung des BGH steht bevor
Nach der Niederlage vor dem Oberlandesgericht wandte sich Birkenstock an den Bundesgerichtshof, um eine abschließende Klärung herbeizuführen. Der BGH hat den Fall im Januar verhandelt und wird bald sein Urteil sprechen.
Die Entscheidung könnte nicht nur für Birkenstock, sondern für die gesamte Designbranche wegweisend sein. Sollte das Gericht die Sandalen als Kunst anerkennen, würde dies neue Maßstäbe für den urheberrechtlichen Schutz von Produktdesigns setzen.
Ob Birkenstock mit seiner Argumentation durchdringt, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch: Der Fall zeigt, wie schmal der Grat zwischen Funktionalität und künstlerischer Gestaltung ist.