Kaffeepreise sinken leicht – doch Entwarnung gibt es keine
Nach Monaten der Preisexplosion im Supermarkt sorgt zumindest eine Nachricht für vorsichtige Erleichterung: Kaffee wird etwas günstiger. Große Handelsketten wie Aldi, Lidl, Rewe, Edeka, Kaufland, Penny, Netto und Norma haben die Preise ihrer Eigenmarken um rund sieben Prozent gesenkt.
Demnach kostet ein Kilogramm Kaffeebohnen derzeit zwischen 11,99 und 12,99 Euro, während 500 Gramm gemahlener Röstkaffee ab 5,49 Euro erhältlich sind. Betroffen sind Marken wie Bellarom, Barissimo oder Gut & Günstig.
Doch die kleine Preisbewegung kann kaum über das größere Problem hinwegtäuschen: Kaffee bleibt – wie viele andere Produkte – weit teurer als noch vor wenigen Jahren. Selbst nach der Reduktion liegen die Preise im Schnitt deutlich über dem Niveau von Anfang 2024.
Lebensmittelpreise steigen schneller als die Inflation
Obwohl die Inflationsrate in Deutschland inzwischen auf etwa zwei Prozent gesunken ist, bleibt der Druck an der Supermarktkasse hoch. Lebensmittelkosten steigen weiter – und zwar schneller als die Preise in anderen Bereichen. Seit Februar 2025 liegt die Lebensmittelinflation wieder über der allgemeinen Teuerungsrate, ein Trend, der Ökonomen alarmiert.
Seit Ende 2019, also vor der Pandemie, haben sich die Preise für Nahrungsmittel um 37 Prozent verteuert, während die Verbraucherpreise insgesamt nur um etwa 20 Prozent zulegten. Besonders nach dem russischen Angriff auf die Ukraine entkoppelten sich die Lebensmittelpreise vollständig von der übrigen Inflation: Im März 2023 erreichte die Teuerung bei Nahrungsmitteln mehr als 22 Prozent.
Heute liegt sie zwar bei rund 3 Prozent, aber das bedeutet keine echte Entlastung. Denn die Preisbasis ist bereits extrem hoch – und sie bleibt es. Viele Verbraucher empfinden Einkaufen als Luxus. „Manche fühlen sich ärmer als vor der Inflationswelle, obwohl die offizielle Teuerung zurückgegangen ist“, schreibt die Europäische Zentralbank (EZB).
Klimawandel, Ernteausfälle und Rohstoffmangel
Ein Ende der Preissteigerungen ist nicht in Sicht. Klimabedingte Missernten, Überschwemmungen und Hitzeperioden haben die Preise vieler Rohstoffe in die Höhe getrieben. Kakao, Kaffee, Obst, Butter und Öle zählen zu den größten Kostentreibern.
Der weltweite Kakaopreis erreichte in diesem Jahr ein Rekordhoch. Die Folgen sind dramatisch: Schokolade kostete monatelang ein Fünftel mehr als im Vorjahr. „Wir erleben eine Teuerungswelle, wie sie in der jüngeren Geschichte kaum vorgekommen ist“, warnte die US-Investmentbank J.P. Morgan bereits im Frühjahr.
Auch bei Olivenöl zeigt sich der Einfluss des Klimas deutlich: Dürreperioden in Südeuropa führten zu massiven Ernteausfällen. Erst seit Mitte des Jahres hat sich der Preis etwas stabilisiert – er liegt jedoch immer noch rund fünf Prozent höher als im Vorjahr.
Besonders stark traf es Butter: Im Februar 2025 lag der Preis fast 28 Prozent über dem Vorjahreswert, im Mai immerhin noch 18 Prozent. Gründe sind ein Rückgang der Milchproduktion, geringerer Fettgehalt der Milch sowie Krankheitsausbrüche wie die Blauzungenkrankheit. Gleichzeitig sorgt die starke Nachfrage nach Käse dafür, dass weniger Fett für Butterherstellung verfügbar bleibt.
EZB sieht strukturelles Problem im europäischen Markt
Die Europäische Zentralbank beobachtet den Preisanstieg mit Sorge. In einer aktuellen Analyse schreibt sie, dass die Nahrungsmittelpreise seit Einführung des Euro „tendenziell stärker gestiegen als andere Verbraucherpreise“ seien – seit 2022 habe sich diese Entwicklung jedoch zu einer „außergewöhnlich anhaltenden Kluft“ ausgeweitet.
Die hohen Lebensmittelpreise wirken sich auf die gesamte Eurozone aus und bremsen das Absinken der allgemeinen Inflation. Die Kaufkraft der Verbraucher bleibt geschwächt, insbesondere bei niedrigen und mittleren Einkommen. Auch in anderen EU-Ländern, etwa Estland oder Litauen, stiegen die Lebensmittelpreise seit der Pandemie um über 50 Prozent.
Die EZB nennt strukturelle Faktoren wie den Klimawandel, gestiegene Transportkosten und anhaltende Rohstoffknappheit als Hauptursachen – und warnt, dass sich diese Trends weiter verschärfen dürften.
Handel und Hersteller: Kein Streit, aber wenig Hoffnung
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren herrscht derzeit kaum noch Konflikt zwischen Herstellern und Einzelhändlern. Von einer sogenannten „Gierflation“ – also künstlich aufgeblähten Preisen – könne keine Rede sein, betont Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der DHBW Heilbronn.
Rüschen erwartet jedoch keine baldige Rückkehr zu alten Preisniveaus: „Produkte wie Kaffee und Schokolade werden dauerhaft teuer bleiben.“ Die Produktionsketten seien fragil, viele Lieferanten arbeiteten unter schwierigen klimatischen Bedingungen, und die Nachfrage in Schwellenländern steige stetig.
Zudem bleibt die Abhängigkeit Europas von Importen groß: Sowohl Kakao als auch Kaffee stammen fast ausschließlich aus tropischen Regionen, die besonders stark unter Wetterextremen leiden. Damit bleibt der Kontinent verwundbar gegenüber globalen Krisen und Ernteausfällen.
Kleine Entlastung – große Verunsicherung
Auch wenn der Preisrückgang beim Kaffee den Verbrauchern kurzfristig Luft verschafft, bleibt der Trend eindeutig: Lebensmittel sind und bleiben teuer. In vielen Haushalten wird bereits gespart, andere greifen zu günstigeren Eigenmarken oder verzichten ganz auf bestimmte Produkte.
Die wachsende Diskrepanz zwischen sinkender Gesamtinflation und weiter steigenden Lebensmittelkosten verstärkt das Gefühl sozialer Unsicherheit. Für Millionen Menschen in Deutschland sind die täglichen Einkäufe zu einer finanziellen Belastung geworden – und jede neue Preisrunde trifft sie empfindlicher als zuvor.