Engpässe bei Halbleitern treffen Golf und Tiguan
Der deutsche Automobilhersteller Volkswagen steht erneut vor Produktionsproblemen. Im Stammwerk Wolfsburg soll die Fertigung der Modelle Golf und Tiguan gedrosselt werden, wie aus Industriekreisen verlautet. Grund sind offenbar fehlende Halbleiterbauteile, deren Lieferung ins Stocken geraten ist. Als möglicher Auslöser gilt der Streit um den Chipproduzenten Nexperia, der durch politische Maßnahmen zwischen China und den Niederlanden in den Fokus geraten ist.
Ein Sprecher von Volkswagen widersprach Berichten, die von einer direkten Verbindung zwischen dem Nexperia-Fall und der Drosselung sprechen. Die Einschränkungen seien „längerfristig geplant“ und nicht durch aktuelle Lieferausfälle verursacht. Dennoch wächst in der Branche die Sorge, dass geopolitische Spannungen die ohnehin fragile Versorgungslage weiter verschärfen.
Exportverbot als Reaktion auf Regierungsübernahme
Die chinesische Regierung hat den niederländischen Halbleiterhersteller Nexperia mit einem Exportstopp belegt. Das Verbot betrifft alle in China produzierten Fertigkomponenten und Baugruppen, die bislang an europäische Standorte geliefert wurden.
Auslöser war eine Entscheidung der niederländischen Regierung, die kürzlich die Kontrolle über Nexperia übernahm. Damit wollte Den Haag verhindern, dass sensible Technologien an den chinesischen Mutterkonzern Wingtech gelangen. Die niederländische Regierung berief sich auf ein kaum genutztes Gesetz aus dem Jahr 1952, das staatliche Eingriffe in strategisch bedeutsame Unternehmen ermöglicht. Ziel sei es, die Versorgung mit kritischen Halbleitern sicherzustellen und Abhängigkeiten zu begrenzen.

Schärferer Ton zwischen Peking und Den Haag
In Peking reagierte man empört auf den niederländischen Schritt. Ein Sprecher des Außenministeriums bezeichnete die Entscheidung als „Politisierung wirtschaftlicher Fragen“ und sprach von einem „Akt wirtschaftlichen Banditentums“. Auch die chinesische Außenhandelskammer in Brüssel kritisierte das Vorgehen als geopolitisch motiviert.
Den Haag wiederum verweist auf europäische Sicherheitsinteressen und die Notwendigkeit, Schlüsselindustrien vor ausländischer Einflussnahme zu schützen. Der Fall Nexperia verdeutlicht, wie stark sich die technologische Rivalität zwischen China und westlichen Staaten inzwischen auch auf Europa ausweitet. Die Niederlande spielen dabei eine Schlüsselrolle, da sie zu den wichtigsten Produzenten von Halbleitertechnologie weltweit zählen.
Ein Konzern zwischen Märkten und Machtpolitik
Nexperia, mit Sitz im niederländischen Nimwegen, war ursprünglich Teil des Elektronikriesen Philips und später der Tochterfirma NXP. 2018 übernahm der chinesische Konzern Wingtech die Mehrheit. Seit Dezember steht Wingtech auf einer US-Sanktionsliste, weil Washington dem Unternehmen enge Verbindungen zur chinesischen Rüstungsindustrie vorwirft.
Nexperia beliefert zahlreiche Industriezweige mit Leistungshalbleitern, die in Fahrzeugen, Haushaltsgeräten und Kommunikationssystemen verwendet werden. Zuletzt hatte ein Amsterdamer Gericht den CEO Zhang Xuezheng vorläufig suspendiert – wegen „begründeter Zweifel an einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung“. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass der Konzern auch intern unter Druck steht.
Ein Analyst aus der Branche warnte: „Wenn der Exportstopp bestehen bleibt, werden sich die Auswirkungen in wenigen Wochen deutlich zeigen. Die Vorräte der Autohersteller sind äußerst knapp.“
Risiko für die europäische Automobilindustrie
Nach Einschätzung des europäischen Automobilverbands ACEA könnten die aktuellen Entwicklungen weitreichende Folgen haben. Zwar bezieht Volkswagen keine Chips direkt von Nexperia, doch viele Zulieferer verbauen dessen Komponenten in elektronischen Modulen. Dadurch trifft die Unterbrechung der Lieferkette indirekt auch große Hersteller.
Bereits während der weltweiten Chipkrise in den Jahren 2021 und 2022 hatte VW seine Produktion mehrfach anpassen müssen. Nun droht eine Wiederholung: Kurzfristige Produktionsstopps und Verzögerungen bei der Auslieferung könnten unvermeidlich werden. Ein VW-Sprecher erklärte, man beobachte die Lage „mit hoher Aufmerksamkeit“ und prüfe alternative Bezugsquellen.
Für die gesamte Branche bleibt die Situation angespannt. Experten schätzen, dass rund 50 Prozent der in Europa verbauten Halbleiter auf Fertigungsschritte in Asien angewiesen sind. Jede politische Eskalation könne daher unmittelbare Auswirkungen auf die Automobilproduktion haben.
Europa sucht nach technologischem Gleichgewicht
Der Streit um Nexperia verdeutlicht, wie verletzlich Europas Industrie gegenüber geopolitischen Konflikten ist. Einerseits will die EU ihre technologische Unabhängigkeit stärken, andererseits bleibt sie auf internationale Partnerschaften angewiesen. Der Eingriff der niederländischen Regierung zeigt, dass der Schutz strategischer Industrien künftig Vorrang erhalten könnte – selbst auf Kosten wirtschaftlicher Freiheit.
Für Konzerne wie Volkswagen bedeutet das ein schwieriges Spannungsfeld zwischen Effizienz und Sicherheit. Der Chip bleibt das Herzstück moderner Fahrzeuge – und seine Verfügbarkeit zunehmend ein politisches Thema.