Zugriff in Italien
Fast drei Jahre nach den Anschlägen auf die Ostsee-Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 ist einer der Hauptverdächtigen gefasst worden. Der 49-jährige Ukrainer Serhij K. wurde in der Nacht zum Donnerstag im italienischen Ferienort San Clemente nahe Rimini von den Carabinieri festgenommen. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe wirft ihm vor, an der Vorbereitung und Durchführung der Sprengungen im September 2022 maßgeblich beteiligt gewesen zu sein.
Zum Zeitpunkt seiner Festnahme befand er sich mit seiner Frau und zwei minderjährigen Kindern im Urlaub. Laut Polizei verlief der Zugriff ohne Widerstand, unterstützt von Hubschraubern. Nun muss ein Berufungsgericht über die Umsetzung des europäischen Haftbefehls entscheiden, bevor K. nach Deutschland ausgeliefert werden kann.
Anschläge auf Europas Energieversorgung
Die Explosionen an den Pipelines vor der Insel Bornholm hatten international für Aufsehen gesorgt. Insgesamt wurden vier Lecks entdeckt, die dazu führten, dass kein Gas mehr transportiert werden konnte. Während über Nord Stream 1 zuvor russisches Erdgas nach Deutschland floss, war die zweite Leitung aufgrund des Ukraine-Kriegs noch nicht in Betrieb.
Fachleute vermuteten von Beginn an, dass professionelle Taucher die Sprengsätze angebracht haben mussten. Mehrere Länder beteiligten sich an den Ermittlungen, doch Dänemark und Schweden stellten ihre Untersuchungen inzwischen ein.
Weitere Verdächtige im Fokus
Neben K. steht auch der Ukrainer Wolodymyr Z. unter Verdacht, der nach Informationen der Ermittler als Tauchlehrer tätig war. Er entzog sich einer Festnahme in Polen, da sein Name nicht im Schengen-Fahndungssystem vermerkt war, und reiste unbehelligt in die Ukraine aus.
Darüber hinaus wurde die Segeljacht „Andromeda“ untersucht, auf der im Juli 2023 Spuren von Sprengstoff gefunden wurden. Ermittler gehen davon aus, dass das Boot für den Transport der Materialien verwendet wurde. Das Schiff war zuvor mit gefälschten Papieren angemietet worden und soll einer Gruppe aus fünf Männern und einer Frau als Basis gedient haben.
Politische Reaktionen
Die Bundesregierung begrüßte die Festnahme. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) erklärte: „Der Bundesanwaltschaft ist ein sehr beeindruckender Ermittlungserfolg gelungen.“ Sie betonte, dass die Hintergründe der Sabotage vollständig aufgeklärt werden müssten: „Die Sprengung der Pipelines muss auch strafrechtlich aufgearbeitet werden.“
Generalbundesanwalt Jens Rommel hatte bereits im Herbst 2024 bestätigt, dass es gelungen sei, mehrere Verdächtige zu identifizieren. Ungeklärt blieben jedoch Fragen nach einer möglichen staatlichen Steuerung der Aktion und den genauen Motiven.
Italien prüft weitere Verbindungen
Die italienischen Sicherheitsbehörden wollen zudem untersuchen, ob der Festgenommene in Anschläge auf Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte im Mittelmeer verwickelt sein könnte. Konkrete Ergebnisse dazu liegen bislang nicht vor.
Mit der Festnahme rückt die Aufklärung eines der spektakulärsten Angriffe auf die europäische Energieinfrastruktur der letzten Jahrzehnte ein Stück näher. Klar bleibt: Die Sabotageakte gegen die Nord-Stream-Leitungen haben weitreichende politische und wirtschaftliche Folgen ausgelöst und sind bis heute von offenen Fragen begleitet.