In Deutschland laufen derzeit Vorbereitungen, um Unternehmen für den Verteidigungsfall zu schulen. Grundlage ist der „Operationsplan Deutschland“, ein umfassendes, 1.000 Seiten langes Strategiepapier, das wichtige Maßnahmen für den Schutz und die Verteidigung der Infrastruktur beschreibt. Dieses Dokument definiert auch die Rolle der Wirtschaft im Falle eines Angriffs, insbesondere bei einer möglichen Bedrohung durch Russland.
Erste Maßnahmen in Hamburg gestartet
Die Bundeswehr hat in der Handelskammer Hamburg eine Informationsveranstaltung durchgeführt, bei der Oberstleutnant Jörn Plischke, Leiter des Landeskommandos Hamburg, konkrete Ratschläge gab. „Bilden Sie auf hundert Mitarbeiter mindestens fünf zusätzliche Lkw-Fahrer aus, die Sie nicht benötigen“, so Plischke. Der Hintergrund: Rund 70 Prozent der Lkw-Fahrer in Deutschland stammen aus osteuropäischen Ländern. Im Falle eines Konflikts könnten diese Fachkräfte fehlen. Plischke empfahl zudem, Unternehmen sollten Pläne entwickeln, die klare Aufgaben für Mitarbeiter in Krisenzeiten festlegen. Auch Maßnahmen zur Selbstversorgung, wie die Anschaffung eines Dieselgenerators oder die Nutzung eigener Energiequellen, seien ratsam.
Diese Informationsveranstaltungen finden nicht nur in Hamburg, sondern bundesweit statt, wie die Bundeswehr bestätigte. Ziel ist es, Unternehmen auf potenzielle Krisensituationen vorzubereiten und das Bewusstsein für Sicherheitsfragen zu schärfen.
Wachsende Bedrohungen und Gefahren
Plischke warnte, dass Bedrohungen wie Drohnenüberflüge, Ausspähungen, Sabotage und Cyberangriffe „täglich und in steigender Frequenz“ auftreten. Diese Vorfälle werden als „Shaping the Battlefield“ bezeichnet und seien Teil der Vorbereitung Russlands auf mögliche militärische Auseinandersetzungen. Laut den deutschen Nachrichtendiensten könnte Russland in den nächsten vier bis fünf Jahren in der Lage sein, weiter nach Westen vorzurücken. Der Vergleich verdeutlicht die Dringlichkeit: „Russland produziert im Moment 25 Kampfpanzer pro Monat, Deutschland drei im Jahr“, so Plischke.
Konkrete Szenarien und Empfehlungen
Bei einer weiteren Veranstaltung vor dem Hamburger Michel thematisierte Plischke, was passieren könnte, wenn verbündete Truppen durch die Stadt ziehen, die Elbe gesperrt wird oder das Schienennetz angegriffen wird. Auch Szenarien wie geschlossene Supermärkte und fehlende Wasserversorgung wurden diskutiert. Unternehmen, die Mitarbeiter im Heimatschutz, beim THW oder der Feuerwehr haben, könnten in Krisenfällen besser aufgestellt sein. „Das kostet Sie im Jahr wenige Tage, aber in der Krise haben Sie einen direkten Link zu den Leuten, die Hamburg schützen werden“, erläuterte Plischke.
Unterstützung aus Wirtschaft und Politik
In der Politik und Wirtschaft findet Plischkes Initiative Zuspruch. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher betonte: „Im Falle einer militärischen Nutzung unserer Infrastruktur steigt das Risiko für Cyberattacken und Sabotage noch einmal deutlich an.“ Der Hamburger Senat hat bereits reagiert und mehr als 40 zusätzliche Stellen zur Stärkung der Krisenbewältigung und des Bevölkerungsschutzes geschaffen.
Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, äußerte sich unterstützend: „Wir müssen das Bewusstsein schärfen, wie wichtig eine gut vorbereitete und widerstandsfähige Wirtschaft für die zivile und militärische Verteidigung Deutschlands ist.“